10 Thesen
Die Megatrends Neo-Ökologie und Digitalisierung stellen Unternehmen über alle Branchen hinweg auf eine harte Probe. Weltweit. Das bisherige Business am Laufen zu halten und das neue zu entwickeln, zugleich ein neues Bewusstsein für die wiederentdeckte Verbindung von Mensch und Natur, fühlt sich an wie ein Reifenwechsel auf der Autobahn — bei voller Fahrt. Die Transformation in ein postfossiles, digitales Zeitalter verlangt von uns nicht weniger, als dass wir die Welt neu erfinden. Das erfordert ein neues Denken und viel Fantasie, um über das Bestehende — das Geschäftsmodell, das Portfolio, die Märkte, die Kunden — hinauszugehen.

In der Folge von Klima-Krise und Corona-Pandemie erleben wir einen ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Aufbruch — hin zu einer „next generation of business“.
Der Erfolg dieser ökonomischen, ökologischen und sozialen Transformation hängt nicht allein ab von Mut und Ideen, von ihrer Agilität und Dynamik, sondern auch von ihrer Akzeptanz. Beginnend bei den eigenen Mitarbeitern bis hin zu Investoren, Kunden, ja, vielfach sogar weiten Teilen der Gesellschaft. Die Haltung, die Wirkung des Unternehmens und mithin die Kommunikation gewinnen eine neue Bedeutung: Sie kann die Transformation als weitreichenden unternehmerischen Erneuerungsprozess für alle Anspruchsgruppen lesbar, erlebbar und nachvollziehbar machen. Offen gestaltet, flexibel und experimentierfreudig. Orientierung geben. Ideen von der Zukunft vermitteln. Und so den Aufbruch in eine neue Zeit ermöglichen. 10 Thesen dazu.
These 1
Aufbruch
In der Folge von Klima-Krise und Corona-Pandemie erleben wir einen ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Aufbruch — hin zu einer „next generation of business“. Dadurch gewinnt das Unternehmen eine vollkommen neue Bedeutung. Stärker als je zuvor nimmt es gestaltende Funktion ein — mit Ideen, Innovationen, ja, mit seiner visionären Kraft setzt es Ankerpunkte in einer komplexen und volatilen Welt, schafft Orientierung, zeigt Perspektiven auf. Das Unternehmen wird zum Akteur des Wandels, weitaus agiler und handlungsfähiger als etablierte Institutionen oder die Politik es können. Aus dieser emanzipierten und selbstbewussten Haltung heraus erwachsen neue Aufgaben für Kommunikation und Marketing — mehr noch: eine neue Rolle als Moderator zwischen Unternehmen und Gesellschaft, mit Themen, die dichter an die Menschen da draußen heranrücken als bislang. Eine Idee von der Zukunft liefern. Einer Zukunft, die Ökonomie und Ökologie versöhnt.
These 2
Sinn
Der gesellschaftliche und politische Druck wächst. Welchen Beitrag leistet das Unternehmen zur Lösung der Herausforderungen unserer Zukunft? Über Akzeptanz, Reputation und Erfolg entscheidet vor allem diese Frage. Die Ausrichtung auf den “Multi Stakeholder Value” bringt für Kommunikation und Marketing eine erhebliche Ausweitung ihres Wirkungsbereichs mit sich. Die Licence to Operate wird nicht länger allein aus dem Business Model abgeleitet, sondern mit dem gesellschaftlichen Nutzen verwoben. Eingefordert von einer kritischen Öffentlichkeit, allen voran der Generation Z. Die Unternehmensmarke entwickelt sich in der VUCA-Welt zum Sinnstifter. Für die Corporate Identity, die Markenführung, ist diese Erkenntnis essentiell: Denn die Märkte der Zukunft sind Sinnmärkte. Da geht es nicht vorrangig um Produkte und Preise, sondern um Sinnhaftigkeit und Verantwortung. Um die Auseinandersetzung mit ökonomischen, ökologischen und sozialen Fragen – und die dazugehörigen Antworten.
These 3
Relevanz
Mehr Content. Mehr Formate. Mehr Kanäle. Der Information Overload nimmt zu … Algorithmen konfrontieren uns permanent mit Botschaften, die zu unserem Profil passen. Egal wann. Egal wo. Als Rezipienten, mehr noch als Kommunikatoren sind wir einem intensiven Wettbewerb um Aufmerksamkeit ausgesetzt; mit unberechenbaren Regeln darüber, welche Botschaften über soziale Netzwerke und digitale Plattformen Millionen von Menschen – oder fast niemanden – erreichen. Umso wichtiger ist der Blick vom Unternehmen zu den Anspruchsgruppen. Auf ihre Erwartungen und Informationsbedürfnisse. Welche Fragen haben sie an das Unternehmen? Seine Strategie. Seine Zukunft. Genau dazu sollte die Unternehmenskommunikation überzeugende, nachvollziehbare Antworten liefern. Immer wieder neu. Für die Kommunikation der “next generation of business” bedeutet das: Sie muss anspruchsvoller und dynamischer sein denn je. Vor allem relevanter und fokussierter. Faszinierende Stories verknüpft mit strategischem Micropublishing. Qualität schlägt Quantität – nur so wirkt Kommunikation.
These 4
Dialog
Veränderungen brauchen ein Narrativ. Das Mut macht. Motiviert. Und sie brauchen Dialog, vor allem, wenn es um Veränderungen der Strategie oder des Geschäftsmodells geht. Denn der Kapitalmarkt denkt kurzfristig, möchte schnelle Erfolge sehen. Er erwartet, dass Veränderungsprozesse überschaubar sind und ohne größere Risiken umgesetzt werden. Die zentrale Frage lautet: Wann gibt es messbare Ergebnisse? Das lässt sich oftmals nicht sofort beantworten. Die Transformation von Strategien und Geschäftsmodellen verkörpert also genau das, was der Kapitalmarkt scheut. Daher muss sie mit einem kontinuierlichen, strategisch getriebenen Dialog über Potenziale, Ziele und Fortschritte der Erneuerung verknüpft sein – Transformation Communication. Offen und authentisch. Um das Vertrauen in die Leistungsstärke, die Innovationskraft, die Zukunftsfähigkeit, die Resilienz des Unternehmens zu stärken. Ohne dieses Vertrauen, ohne den Goodwill und die Geduld von Investoren, Analysten, Partnern, Mitarbeitern kann dieser Such- und Lernprozess nicht gelingen.
These 5
Komplexität
Kommunikation dient nicht länger dem Ziel, Komplexität zu reduzieren, sondern sie zu erschließen. Sie liefert den Impuls, unsere Welt in ihrer Vielfalt zu entdecken, zu entschlüsseln, zu verstehen. Das ist ein Paradigmenwechsel. Bislang lautete die Devise: Weniger ist mehr. Zugegeben – Komplexität kann überfordern, wenn es nicht gelingt, Abhängigkeiten und Zusammenhänge aufzuzeigen. Verbindungen zu schaffen. Zwischen Problemen und Lösungen. Zwischen Gegenwart und Zukunft. Das ist anstrengend. Gerade heute, am Beginn der digitalen Transformation, in einer Phase, die von Trial and Error geprägt ist. Von Unsicherheit. Unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die stärker als je zuvor offenbart, wie eng ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Sphären miteinander verwoben sind. “Sagen, was ist”, beschrieb Rudolf Augstein einst die Haltung des “Spiegel”. Verstehen, was ist, so lässt sich die Erwartung der Anspruchsgruppen an die unternehmerische Verantwortung und ihre Kommunikation im Aufbruch in die “next generation of business” skizzieren. Nur da, wo Komplexität vermittelt wird, ist Veränderung möglich.
These 6
Agilität
Corona hat die Digitalisierung radikalisiert. Dennoch ist der technologische Fortschritt weit davon entfernt, sein finales Plateau zu erreichen. Im Gegenteil. Wir befinden uns erst am Beginn einer Ära fundamentaler Veränderungen. Die Aufgabe der Unternehmenskommunikation ist es, diesen Prozess zu begleiten, ja, ihn zu moderieren – sowohl nach innen als auch nach außen. Nachvollziehbar. Und agil. „Self-organizing“ Teams verstehen es, in diesem dynamischen Umfeld schnell zu reagieren – zu interagieren, zu involvieren, zu inspirieren. Den digitalen Diskurs zu bestimmen. Das hat sich gerade in der Pandemie gezeigt. Die Voraussetzung ist eine Arbeits- und Unternehmenskultur, die Agilität fördert. Flexibilität schafft. Kreativität ermöglicht. Kollaboration stärkt. Und eine Führungskultur, die auf Vertrauen und Wertschätzung setzt. Auf klare Ergebnisorientierung und kurze Entscheidungswege. Die Unternehmenskommunikation steht daher vor zwei großen Herausforderungen: Den Wandel zu kommunizieren und gleichzeitig die eigenen Strukturen und Prozesse zu verändern.
These 7
Faszination
Kommunikation muss begeistern. Gerade in einer Zeit des Content Overflows kommt es darauf an, starke, authentische, faszinierende Geschichten zu entwickeln. Und sie auf einzelne, auch kleine Anspruchsgruppen zuzuschneiden. Die Anspruchsgruppen zu bewegen, einem Unternehmen, einer Marke in eine smarte, digitale, nachhaltige Zukunft zu folgen. Wie einst Odysseus. Sein Aufbruch nach Ithaka ist eine der ältesten Geschichten unseres Kulturkreises, aufgeschrieben vom griechischen Dichter Homer vor mehr als 2.800 Jahren. Lange irrte Odysseus umher, abgelenkt von betörenden Sirenen, provoziert von bösartigen Seeungeheuern. Zehn Jahre dauerte die Reise, bevor sie ein, naja, einigermaßen glückliches Ende fand. Der Aufbruch in die „next generation of business“, den wir gerade erleben, wird weniger dramatisch verlaufen, ist aber auch ein Such- und Lernprozess, der herausfordert. Die Unternehmen. Die Gesellschaft. Jeden von uns. „Transformation ist kein Kindergeburtstag,“ meint der Journalist und Autor Wolf Lotter. Stimmt. Brauchen wir dazu Helden? Vielleicht nicht. Faszinierende Geschichten schon.
These 8
Technologie
Kennen Sie Miquela Sousa? Sie ist #BlackLivesMatter-Aktivistin, lebt in LA, hat 3,1 Millionen Follower auf Instagram. Vor vier Jahren wurde sie vom TIME Magazine zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten im Web gekürt. Das Außergewöhnliche daran: Miquela ist eine virtuelle Influencerin. Animiert aus Pixeln. Unsere Realität wird zunehmend von Synthetic Media geprägt, beeinflusst, verändert. Die Technologie ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass sie in der Unternehmenskommunikation ankommt – verbunden mit enormem Potenzial. Computergenerierte Inhalte reduzieren einerseits die Produktionszeiten und -kosten für Video- oder Audio-Formate. Das macht sie für Kommunikationsabteilungen interessant. Andererseits schaffen sie vielfältige Impulse, neue Formate zu entwickeln und zu erproben. Mehrsprachige CEO-Videos beispielsweise. Oder die Übersetzung einer abstrakten PowerPoint in eine emotionale Performance. Dass dabei die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischen, mag Diskussionen über die Risiken dieser Technologie entfachen. Aber hat uns Photoshop nicht schon längst auf diesen Weg geführt?
These 9
Verantwortung
Haben Sie sich auch die Augen gerieben? Ist Industrie 4.0 schon vorbei? Zumindest markiert das von der Europäischen Kommission veröffentlichte Whitepaper „Industry 5.0 – Towards a sustainable, human-centric and resilient European industry“ einen Paradigmenwechsel. Weniger in der Produktion, mehr im Mindset – wobei sich das eine auf das andere natürlich auswirkt. Die wesentlichen Treiber sind, der Titel des Whitepapers lässt es erkennen: Menschzentrierung, Nachhaltigkeit und Resilienz. Vulgo: Eine neue unternehmerische Verantwortung, die der Zukunftsforscher Harry Gatterer mit dem Claim „People, Planet & Profit“ charakterisiert. „Es ist der innere Drang eines Unternehmens, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, der Menschen zu Höchstleistungen antreibt – und Marken erfolgreich macht,“ sagt er. Ob das „Industry 5.0“ heißen muss oder „4.1“ schon reicht, sei dahingestellt. Entscheidend ist die Kurskorrektur, die uns mit der „next generation of business“ in eine Zukunft führt, die ökonomische, ökologische und soziale Zielgrößen gleichermaßen adressiert, in der die Verantwortung von Unternehmen und Marken eine neue Bedeutung und Wirkung entfaltet.
These 10
Wirkung
Ökonomische Wertschöpfung setzt soziale Wertschöpfung voraus. Längst reicht es nicht mehr, einfach nur zu kommunizieren. „It’s a complicated and noisy world, and we’re not going to get a chance to get people to remember much about us. No company is. So we have to be really clear about what we want them to know about us.“ Dieses Zitat von Steve Jobs beschreibt die Herausforderung für die Kommunikation von Unternehmen noch immer – greift aber zu kurz. Mehr und mehr bewegen sich Unternehmen auf Sinn- und Beziehungsmärkte zu, dahin, wo Start-ups wie „Einhorn“ längst angekommen sind. Es gibt, gerade nach den beiden Jahren der Pandemie, eine neue Sehnsucht nach Begegnung. Nach Beziehungen. Das fordert und fördert die Resilienz und das Umdenken in der Unternehmens- und Markenführung. Die Marken der „next generation of business“ werden ein integraler Bestandteil von Gesellschaften, Communitys, Networks sein. Daher müssen sie sich immer stärker mit Beziehungs- und Wirkungsprozessen zwischen ihrer Organisation und ihren Stakeholdern auseinandersetzen, „um dieses Sozial- oder Beziehungskapital systematisch bewerten und bewirtschaften zu können“, sagt der Kommunikationswissenschaftler Peter Szyszka. Nur dann, wenn sie diese Beziehungen bewusst eingehen, aktiv den Dialog suchen, können (Unternehmens-) Marken, kann Kommunikation tatsächlich Wirkung erzeugen.

Katarina Kümmel
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